IM GLANZE DER MOLEKÜLE

In der inzwischen berühmt gewordenen Nacht vom 6. auf den 7. April 2000 gab es ein spektakuläres Nordlicht zu bewundern. In diesem Artikel zitiere ich meine damaligen Aufzeichnungen.

Vorspann:

Da ich zu dieser Zeit Lehrling war und den nächsten Tag um 6 Uhr wieder auf der Matte stehen musste, wusste ich zunächst nicht, ob ich trotz des sich anbahnenden guten Wetters zum Beobachten fahren sollte. Angesichts der Tatsache, dass ich seit anderthalb Monaten nicht mehr zur praktschen astronomischen Betätigung gekommen bin, entschloss ich mich doch, meine Gerätschaften in meinen Wagen zu verstauen und zum 10 km entfernten neuen Beobachtungsort (ich hatte damals erst seit 4 Monaten ein Auto und seit etwa gleicher Zeit diesen Beobachtungsort) in einer Lichtung nahe Oberlemp zu fahren. Dieser Beobachtungsort besticht einerseits dadurch, dass keine direktes Straßenlampenlicht zu sehen ist und andererseits durch eine komplette Rundumsicht. Beides bleibt mir zuhause verwehrt. Die Qualität des Himmels indes ist mit dem bei mir zuhause gleichzusetzen, teiweise hatte ich sogar das Gefühl, er ist schlechter. Meine damalige Ausrüstung bestand in einem 110mm Reflektor (Siberia 110), das gerade noch so in meinen italienischen Kleinwagen (Fiat Cinquecento) hineinpasste.
Am Abend des 6. April gab es eine besonders schöne Konstellation von Mond, Jupiter, Saturn und Mars zu bewundern. Die nächtliche Überraschung war nicht vorauszusehen...

Zitat aus meinem Beobachtungsbuch:

"Beobachtung von 21:25 - 4:55
Um 21:10 sind alle Geräte und alles Zubehör zur Astroexkursion am frühlingshaften Himmel bereit. Natürlich ist es noch ziemlich hell, und so werde ich mich noch einen Moment gedulden müssen.
Sehr ästhetisch wirkt die zwei Tage alte Mondsichel bei den drei Planeten Jupiter, Saturn und Mars. Man sieht auf den ersten Blick das aschgraue Licht in der orangeroten Abenddämmerung...
Ich möchte mich heute Nacht vornehmlich den Galaxien im Virgo-Haufen (viele Messier-Objekte) widmen. Eigentlich könnte es jetzt losgehen. Licht aus bitee!!! Es ist 21:25, ich beginne mit der Beobachtung einiger Doppelsterne, um mein Augenmaß ein wenig zu "eichen" [klappt heute noch nicht...].

21:50: Ich beginne mit der Einbeobachtung, oder sollte ich eher sagen "Einmessiern"?

22:00: Ich finde und finde M 81 / M 82 nicht.
Nanu! Welches ......... macht denn da mitten im Wald Skybeamer an??? Sind ja gar keine. Sind... das sind ja Nordlichter! Gibt's doch gar nicht. Von Cassiopeia bis Draco. In sieben senkrechten Streifen, wobei die beiden rechten sehr rötlich, die anderen weiß/grau erscheinen.Unglaublich...

22:15: Sie werden besonders hell in Cassiopeia und Draco. Es ist phantastisch. Man müsste eine Kamera dabei haben. [hatte ich zuhause vergessen...]
Am Sonntag noch habe ich auf der Deep Sky Tagung einen Vortrag über Nordlichter besucht. Und jetzt sehe ich sie mit eigenen Augen, zum allerersten Mal.

22:17: Die Nordlichter werden auffällig rot (wie von der untergehenden Sonne angestrahlte Wolken).

22:19: Jetzt sind sie nur noch schwach zu sehen

22:21: Sie werden wieder heller, vor allem in der Cassiopeia. Ich gönne mir zur Feier des Tages einen Schluck Tee. Warum habe ich bloß meine Kamera nicht dabei #!?*#
Ein Streifen bei Wega (etwa 5° über dem Horizont [Wald]) wird besonders hell. So schön der Anblick auch sein mag, ich fange nun doch mal mit dem "Einmessiern" an.

22:40: Juchhuuuu! Habe M 81 und M 82 endlich gefunden (und einen steifen Hals vom Sucher...).

22:52: Die Nordlichter hellen den gesamten Himmel immens auf. Jetzt sind sie besonders hell im Drachen und im Perseus. Da ist einmal endlich gutes Seeing und dann wird der Himmel durch Nordlichter aufgehellt... :-)

23:30: So langsam fühle ich meine Zehen nicht mehr: Es ist a....kalt!
[In der Zeit zwischen 23:30 und 1:10 habe ich einige Objekte beobachtet und Zeichnungen von ihnen erstellt; die Nordlichter waren in dieser Zeit nur schwach zu erkennen]

1:10: Die Nordlichter, die die ganze Zeit nur im Norden als grelles Glimmen zu sehen waren, sind nun wieder "aktiv" und bis etwa 30° über dem Horizont zu sehen. Sie umspannen den Himmel von Westen bis Nordosten.

1:30: Drei Strahlen kreuzen sich genau im Coma-Haufen. Ein Bild für die Götter. Und meine Kamera steht im Schrank...
Die Strahlen sind zeitweise so hell, dass ich den Schatten meines Fußes klar sehen kann. An eine Dunkeladaption ist nicht zu denken. Ich habe die kleine Nordlicht-Pause genutzt, um einen Tee zu schlürfen und etwas herumzulaufen. Frage: Was ist schöner als M27 im 20" Dob?: Die wieder angelaufene Durchblutung der eigenen Füße!
[Zwischen 1:45-3:20 wieder Beobachtung von einigen Objekten]

3:20: Es scheint sich nun entgültig ausgenordlichtert zu haben.
[Es folgen weitere Beobachtungen]

4:35: Es beginnt so langsam zu dämmern. Als letztes, quasi als Rausschmeißer, stelle ich M 13 ein.

5:00: Und tschüß. Ich packe ein und fahre zur Arbeit.
Was lerne ich nun aus dieser Nacht? Fahre niemals zum Beobachten, wenn es Nordlichter geben wird :-) Auch wenn du nicht weißt, dass es welche geben wird. Und wenn doch, nimm deine Kamera mit !!!
Und nimm gefälligst warme Schuhe mit, du Idiot!!! :-) "

Abspann:

Das Nordlicht war in meiner nun etwa 8 Jahre währenden Beobachtungspraxis eines der herausragendsten Ereignisse, die ich miterleben durfte. Leider hatte ich damals kein Mobiltelefon, so haben meine Mutter und meine Großmutter dieses Schauspiel leider verpasst.
Mein Meister fragte mich am nächsten Arbeitstag (ich bin ja ohne vorher nach Hause zu fahren direkt zur Arbeit gegangen), ob ich schon von dem Nordlicht gehört hätte, von dem sie die ganze Zeit im Radio erzählen...