DER HERR DER RINGE

Am Freitag den 23.1.2004 stand ich vor der Qual der Wahl: Sollte ich nach Heuchelheim zur die AAG fahren oder doch lieber zum Beobachten in den Westen? Nach längerer Pause (Semesterprüfungen und Schlechtwetterperiode) klarte es mittags von Westen her auf, doch blieben einige Dunstschichten hartnäckig übrig. Nur am westlichen Horizont konnte man erkennen, dass dort gute Durchsicht herrschte.
Gegen 18 Uhr entschied ich mich also, den Weg gen Westen anzutreten, in freudiger Erwartung ob der vorliegenden Beobachtungsnacht. Ich hatte mir schon längere Zeit vorher einen Beobachtungsplatz ausgesucht, den ich nun auch einmal in praxi austesten wollte. Dabei handelt es ich um den "Oberster Berg" nahe Roth (wenige km westlich von Herborn). Dieser besticht zum einen durch seine hohe Lage (560m üNN, immerhin fast 150m höher als unser Platz in Königsberg) und zum anderen durch seine Abgeschiedenheit von größeren Städten. Herborn hat eigentlich kaum gestört. Ärgerlicher war da schon eine Lichtanlage in Schönbach, die mehr den Himmel denn die zugehörige Fabrik anstrahlte. Leider sind die Wege zum Obersten Berg alles andere als PKW-freundlich (tiefe Fahrrinnen von Treckern), so dass ich nicht weiter in die Wiese hineinfahren konnte. Sei's drum.
Nachdem ich gegen 20:15 meinen 18"er aufgebaut hatte, konnte die Beobachtungssession anfangen. In der Folge beobachtete ich einige Galaxien, die ich zum Teil auch zeichnerisch festhielt. Besonders beeindruckend war aber der Eskimonebel NGC 2392, der bei hohen Vergrößerungen eine etwas hellere Polygonringstruktur zu Tage brachte. Diese war allerdings nicht immer geschlossen zu erkennen. Nur der nordwestliche Teil ist eigentlich dauerhaft zu halten. Der Zentralstern mit 10m5 stellt indes keine Herausforderung an das Teleskop. Er verbrutzelt einem schon fast die Netzhaut... :-)
Nebenher konnte ich die Grenzgröße des Himmels im Sternbild der Zwillinge zu 6m1 bestimmen, was ich zunächst kaum glauben konnte, da mir der Himmel doch recht hell vorkam. Ein besonderer Genuß des Himmels war aber das Seeing, welches mir zeitweise Vergrößerungen bis über 600fach erlaubte. Das habe ich bisher noch nicht erlebt.
Das eigentliche Highlight dieses Abends war aber der Ringplanet Saturn. Dieser hatte an jenem Abend eine Helligkeit von -0m5 und einen Durchmesser von 20"5 (Ringsystem etwa 45"). Zeitweise konnte ich sinnvoll bis 485fach vergrößern. Dabei offenbarte mir der Herr der Ringe Details, von denen ich vorher nie zu träumen wagte:
Die Cassini-Teilung war ringsum zu sehen (mit Ausnahme des vom Planeten verdeckten Stückes). Das alleine war mit meiner Siberia 110 nur in besten Nächsten zu schaffen und daher schon ungewohnt. Weiterhin konnte ich in den inneren Ringen erkennen, dass noch schwächere Ringe vorhanden sind, die sich vor dem schwarzen Zwischenraum zwischen Ringen und Planet befinden. Als besonderes Bonbon offenbarte sich noch an den beiden äußeren "Rändern" (wem fällt ein besseres Wort ein?) eine weitere Teilung, die Encke-Teilung, wie sich später herausstellte. Diese hat eine Breite von 328km, was umgerechnet auf die Entferung (an diesem Abend gut 8 Astronomische Einheiten) einem Winkel von 0,06" entspricht (Cassini-Teilung etwa 0,7" bei 4450km Breite).
Weiterhin konnte auf dem Planeten selbst ein dünnes Äquatorband und eine total verhüllte Polregion ausgemacht werden. Diese Wolkenbänder sind allerdings nicht so kontraststark wie auf dem Jupiter. Der Schatten Saturns auf sein Ringsystem konnte ebenfalls sehr einfach gesehen werden.
Nebenbei zählte ich an diesem Abend (ohne spezielle Suche) noch sechs Monde des Saturn (Rhea, Dione, Tethys, Enceladus, Titan und Japetus). Der schwächste dieser Monde (Enceladus mit 11m4) hatte nur eine Entfernung von etwa 30" zum Zentrum des Saturn (ca. 11" zum äußeren Ring). Zudem war Enceladus zum Zeitpunkt der Beobachtung gut 57500mal schwächer als Saturn!

Bei Veröffentlichung dieses Artikels ist Saturn 150 Mio. km weiter entfernt und auch schon merklich schwächer geworden (etwa 0m0). Der Durchmesser wird aber nur wenig kleiner sein. Zudem geht er erst gegen 2:00 nachts unter und so dürfte eine Beobachtung noch von Erfolg gekrönt sein. Momentan ist das Ringsystem maximal geöffnet, was sehr ästhetisch wirkt, da der Rand ausschließlich vom Ringsystem definiert wird.
Zudem gesellt sich der Gasgigant Jupiter an den Frühlingshimmel und wird sicherlich viele Strukturen preisgeben.
Diesen konnte ich nur tief am Himmel stehend kurz vor Beobachtungsende inspizieren, wobei die dort schon gesehenen Wirbel in den Bändern und ein Schattenwurf Ganymeds auf das nördliche Äquatorband sehr vielversprechend sind. Insgesamt gesehen habe ich meine Entscheidung pro Beobachtung und kontra AAG an diesem Abend nicht bereut. Sicherlich wird dies nicht mein letzter Besuch auf dem Obersten Berg gewesen sein.