Vorspann
Am Freitag abend vor dem Himmelsereignis habe ich in der Astro noch laut getönt, dass ein solches Ereignis wohl nichts spektakuläres wäre - zwar selten - aber im Grunde doch eher langweilig. Ich wurde eines besseren belehrt.
Das Ereignis
Dicke Wolken verhüllten am Abend des 6. Mai den Himmel und so befürchtete ich fast, dass ich nicht in den Genuss der Finsternis der speziellen Art kommen würde - angesichts der Tags darauf stattfindenden Abschlussprüfung in meiner Schule stellte dies für mich nicht unbedingt eine Tragödie dar.
Doch schon am nächsten Morgen empfang mich das beste Wetter, ich war sofort wach.
Zumindest den Anfang wollte ich mir nicht entgehen lassen. Ich stellte also meiner Siberia 110 in die Einfahrt und begann so um 7:10 mit der Beobachtung, anfangs noch mit einem Folienfilter und einem 15 mm Okular, was einer Vergrößerung von 54-fach entspricht.
Leider schaute ich gebannt auf die falsche Stelle an der Sonne (zwei randnahe Sonnenflecken verleiteten mich zu der Annahme, eines könnte schon der Merkur sein) und so erkannte ich erst um 7:15 den schon vollständig vor der Sonne stehenden Merkur, eine gestochen scharfe Scheibe im Vergleich mit den Sonnenflecken.
Kurz darauf ging ich aber zur für mich bequemeren Projektion über (ich schaue aufgrund des Restrisikos nicht gerne direkt in die Sonne) und zeichnete die verschiedenen Stadien auf mehrere Papiere, die ich später zusammenfügte (quasi ein Komposit). Das Ergebnis sieht man in der abgebildeten Zeichnung.
Da ich nicht genau nach Norden ausgerichtet hatte, ergab sich anfangs eine sehr seltsame gebogene Bahn des Merkur. Als ich den Fehler entdeckte, zeichnete ich auf jedes Blatt die Stellung Merkurs relativ zu einem großen Sonnenfleck. Dies rettete später noch die anschließende Auswertung.
Leider musste ich mich um 9 Uhr doch noch in die Schule zwingen, da es noch wichtige Informationen zum Ablauf der nahenden Prüfung zu erhalten gab. Allerdings bin ich um 11:30 Uhr auch schon wieder nach Hause gefahren und konnte die Beobachtung weiterführen. Kurz darauf bin ich aber noch in den Nachbarort gefahren und habe ein paar Kollegen meiner Mutter den Transit gezeigt (es waren insgesamt 4 Leute einschließlich meiner Mutter). Besonders interessant fanden sie die Größenverhältnisse zwischen Sonne und Merkur, vor allem, wenn man bedenkt, dass uns Merkur noch etwa 60 Mio. km näher stand als die Sonne.
Gegen 12 Uhr bin ich dann entgültig heimgekehrt und habe das Ende der Finsternis genossen.
Die Auswertung
Die Auswertung meiner Zeichnung habe ich noch am gleichen Abend gemacht. Hierbei habe ich zunächst den gezeichneten Durchmesser von 26.5 cm mit 30' Sonnendurchmesser gleichgesetzt. Die Sekantenlänge (also die Länge der Gerade der Merkurbahn vor der Sonne) beträgt bei mir 16.1cm, was einer Länge von 18'13" auf der Sonnenscheibe entspricht. Exakte Literaturwerte habe ich hier leider nicht gefunden.
Durch den Abstand zweier Messpunkte und deren Zeitpunkte konnte ich die Länge des Transits auf 6h25min bestimmen, dieser Wert ist um etwa 5 min zu hoch. Bei einem beobachteten 3. Kontakt um 12:29 und dem 4. Kontakt um 12:32 ergäben sich hiermit ein Beginn der Finsternis um 7:04 und der zweite Kontakt um 7:07. Die tatsächlichen Werte sind 7:12 und 7:16. Die Abweichungen meiner extrapolierten Werte lassen sich einerseits durch einen zu klein gezeichneten Sonnenradius (etwa 2mm) erklären, andererseits durch die Schwierigkeit, die exakten Positionen Merkurs zu zeichnen, da ich keine motorische Nachführung habe und nicht nachführen und gleichzeitig zeichnen konnte. Das ständige Wackeln des Statives trug sicherlich auch dazu bei.
Die nächste Annäherung zur Mitte beträgt 10.5 cm, was einem tatsächlichen Wert von 11'52" entspricht. Dieser Wert stimmt sehr gut mit den Werten in der Literatur (11'48") überein. Die Mitte der Finsternis bestimmte ich geometrisch auf 9:55 (Literaturangabe: 9:52)
Weiterhin betrug die Entfernung des Merkurs zur Erde am 7.5. etwa 83.5 Mio km. Aus meinen Messergebnissen komme ich damit zunächst auf eine Bewegung von etwa 1364 km/min (bzw. 23 km/s). Dies stimmt allerdings überhaupt nicht mit den Literaturangaben von etwa 49 km/s überein.
Die Lösung: Es muss zusätzlich noch beachtet werden, dass die Erde in der gleichen Zeit ja auch noch weiter auf ihrer Bahn wandert. Nimmt man hierfür den Literaturwert von 30 km/s an, so ist die Erde in der Zeitspanne von 7:20 bis 12:23 (zwei Messpunkte) etwa 545.000 km weitergelaufen. Addiert man diese Strecke zu den 413.000 km, die der Merkur bei stillstehender Erde gelaufen wäre hinzu, so ergibt sich eine Bahngeschwindigkeit von 3160 km/min bzw. 53 km/s. Ich weiß, dass diese Vereinfachung mathematisch gesehen nicht vollkommen korrekt ist, allerdings war es auch nicht Sinn und Zweck, alles ganz genau zu berechnen; dazu hätten in erster Linie die Aufzeichnungen einer größeren Genauigkeit bedurft. Allerdings ist es schon erstaunlich, dass man mit so einfacher "Hausmannsmathematik" so weit kommen kann.
Fazit
Was ich mir vor dem Ereignis als unspektakulär und langweilig vorstellte, hat sich als ein besonderer astronomischer Leckerbissen herausgestellt. Es hat mir viel Vergnügen bereitet, den Durchgang zu beobachten. Innerhalb eines Jahres konnte man zweimal "live" am Fernrohr die Bewegung im Sonnensystem verfolgen (das andere Ereignis war der Kleinplanet NY 40, der allerdings noch um einiges schneller war als Merkur). Nicht zuletzt konnte ich mit einfachsten Mitteln auch gescheite Ergebnisse erzielen.
Nach dieser positiven Überraschung bleibt nur noch auf gutes Wetter beim nächsten Ereignis dieser Art zu hoffen: Dem Venusdurchgang nächstes Jahr.
Merkurdurchgang, Zeichnung erstellt mit Okularprojektion an der Siberia 110. Nähere Angaben stehen im Text. | Fotografie des Merkudurchganges. In Verbindung mit einem Folienfilter ND=5 wurde ein 650 - 1300 mm Zoom-Objektiv verwendet (in Stellung 1300 mm). 1.5 - fache Nachvergrößerung. Als Film kam ein ColorPlus 200 zum Einsatz. Die Belichtungszeit ist unbekannt (automatisch), Uhrzeit etwa 11 Uhr MESZ. |