WIE GUT IST MEIN BEOBACHTUNGSPLATZ?

Mietwohnung ohne Garten, Haus mitten in der Stadt, Straßenlaternen, dei den Himmel aufhellen... Kurzum: Viele Sternfreunde sind gezwungen, zur Beobachtung des gestirnten Himmels ihr Heim zu verlassen um mit Sack und Pack einen Beobachtungsort aufzusuchen, der den zumindest halbwegs natürlichen Himmelsanblick preisgibt. Doch welcher Beobachtungsplatz ist eigentlich der beste? Dieses herauszufinden soll Ziel dieses Beitrags sein.

Auslöser

Grund dieses Artikels ist eine Negativerfahrung, die ich vor nicht allzu langer Zeit machen musste. Nach fast zweistündiger Anreise in den Vogelsberg, der normalerweise guten Himmel verspricht, fand ich einen gar grässlichen Himmel vor, der zwar schön dunkel war, aber ein schreckliches Seeing an den Tag legte. Enttäuscht fuhr ich wieder nach Hause, wo ich dann zwar einen weniger dunklen Himmel mit größerer Horizontaufhellung, dafür aber mit passablem Seeing vorfand. Ich fragte mich also, ob mein Beobachtungsplatz zu Hause nicht vielleicht besser ist als derjenige im Vogelsberg. Bei diesen Überlegungen entstand der Bewertungsbogen, den ich etwas erläutern möchte.
Zunächst sei aber betont, daß ich die Gewichtung der einzelnen Faktoren subjektiv, d.h. auf meine Ansprüche maßgeschneidert, vorgenommen habe. Jeder möge also für sich selbst entscheiden, was für ihn das wichtigste ist und was weniger bedeutend. Es können auch Faktoren herausfallen und neue hinzukommen. Ich erhebe also keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Interessant in diesem Zusammenhang ist sicherlich auch [1].
Um verschiedene Beobachtungsorte zu bewerten, wird vorausgesetzt, daß diese Plätze schon mehrfach besucht wurden un keine Extreme in den einzelnen Bewertungsgrößen eingehen dürfen (beträgt die Grenzgröße z.B. einmal im Jahr 6m8 und 20 Mal 6mo, dann sollte natürlich "fst = 6m0" gesetzt werden).
Es ist möglich, daß Beobachtungsorte, die schlechtere Grenzgrößen oder Seeing aufweisen, trotzdem besser sind als andere, bei denen die Anreise z.B. Stunden dauert. Hier ist es sinnvoll, sich minimale Anforderungen bzw. KO-Kriterien zu setzen. SO ergibt nach meiner Liste eine Grenzgröße von fst = 3m7 immer noch einen Punkt, in der Praxis würde ich allerdings nie unter 5m0 gehen. Gehen Sie also mit Bedacht an den Bewertungsbogen heran und fragen Sie sich immer, wo Sie Ihre Grenzen setzen würden!

Die einzelnen Faktoren

An oberster Stelle steht für mich die Behaglichkeit des Beobachtungsortes. Dies ist ein absolutes KO-Kriterium! An einem Ort, wo man sich nicht wohlfühlt, braucht man sein Teleskop erst gar nicht aufzubauen.
Ich erinnere mich an einen Platz unweit eines Winsparks im Vogelsberg. Der Ort barg gute Bedingungen, jedoch klang das Geräusch der Windräder derart bedrohlich, daß ich schon nach wenigen Augenblicken wieder gefahren bin, ohne auch nur einen Gedanken an den Aufbau meines Teleskops zu verschwenden.
Nicht minder wichtig sind die Grenzgröße und die Güte des Seeings (Transparenz des Himmels und Szintillation).
Wie schon oben erwähnt, sollten hier Durchschnittswerte eingesetzt werden. Gleiches gilt für die Extinktion, also die Zunahme der Absorption und Streuung des Sternlichtes zum Horizont.
Mit dem nutzbaren Himmelsausschnitt meine ich den geschätzten Anteil des Himmelszeltes, den man für die Beobachtung verwenden kann (maximal möglich wären 100% der Hemisphäre). Starke Dunst- odetr Lichtglocken sollten hier also von der Gesamtfläche abgezogen werden. Ebenso sind Abschattungen durch Häuser, Bäume, Berge etc. mit einzubeziehen.
Die Anreisedauer halte ich für einen gewichtigen Faktor. Bei meiner eingangs erwähnten erfolglosen Fahrt in den Vogelsberg habe ich ganze drei Stunden umsonst hinter dem Steuer gesessen (und mit Ein- und Ausladen des eleskops und anderen Vorbereitungen ganze 5 Stunden vergeudet). Zu Hause hätte ich diese Stunden beobachten können...
Hier sollte die Anreisedauer mit dem Fahrzeug gewählt werden, mit dem man üblicherweise den Beobachtungsplatz aufsucht (Auto, Fahrrad, zu Fuß).
In diesem Zusammenhang spielt für viele auch der Aufwand des Verstauens des Teleskops in den Wagen (oder vielleicht auf das Fahrrad) sowie dessen Aufbau eine entscheidende Rolle. Ich selbst muss z.B. meinen Dobson weiter zerlegen als üblich, damit er überhaupt in das Auto reinpasst. So benötige ich bis zur vollständigen Abreisefertigkeit gut 40 Minuten, der AUfbau dauert dann noch einmal weitere 25 Minuten. Dieser Punkt ist jedoch rein willkürlich gewählt. Freilich kann mein Beobachtungsplatz nichts dafür, wenn ich ein zu kleines Auto fahre...
Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist direkt sichtbares Licht, z.B. Straßenlaternen oder auch der Bewegungsmelder des Nachbarn, der jedes Mal angeht, wenn eine Mücke vorbeifliegt. Ich selbst finde dies äußerst störend, andere mögen über dieses Problem vielleicht leichter hinwegsehen können.
Die Nebelgefahr ist vor allem dann zu beachten, wenn man nicht zu Hause beobachtet. Wie ärgerlich ist es, wenn man eine Stunde durch die Gegend fährt, nur um zu merken, daß man den Himmel vor lauter Nebel nicht mehr erkennen kann! Mir ist klar, daß man diese Problem nicht unbedingt am Beobachtungsplatz festmachen kann. Jedoch kann man meist Tendenzen angeben, an welchem Platz eher mit Nebel zu rechnen ist und an welchem kaum.
Publikumsverkehr: manche lieben es, wenn man "unbedarften" Mitmenschen die wunderbaren Schätze des Himmels zeigen kann, andere hassen es, weil sie von ihrem Beobachtungsplan abweichen müssen. Kommt dann noch ein im wahrsten Wortsinne "geladener" Jäger vorbei, findet die Beobachtungssession meist ein jähes Ende. Auch bedacht werden sollte die Möglichkeit vorbeifahrender Autos. ABgelegene Plätze sind auf jeden Fall den "Promillewegen" vorzuziehen.
Nicht nur Menschen können überaus störend wirken, sodnern auch Tiere. Normalerweise freue ich mich, wenn ich des nächtens Tiere im Wald oder auf der Wiese höre. Trotzdem erschrickt es mich jedes Mal, wenn ein Hirsch bellend durch den Wald rennt. rennt dann noch ein Wildschwein wenige Meter am Teleskop vorbei, ist der Abend gelaufen... (der Autor spricht aus eigener Erfahrung).

Auswertung

Abschließend folgt die Summation der Einzelpunkte. Einen Überblick, wie Ihr Beobachtungsplatz zu bewerten ist, gibt die kleine Auswertung am Ende des Bogens. Doch bedenken Sie: Auch wenn Ihr Beobachtungsplatz schlechter abschneidet als gedacht: Lieber an einem schlechten Platz beobachten als gar nicht! Beispielhaft habe ich diese Auswertung einmal für zwei meiner Beobachtungsplätze vorgenommen: Zu Hause habe ich eine durchschnittliche Grenzgröße von ungefähr 6m0, bei mittlerem Seeing. Alle weiteren Faktoren berücksichtigt komme ich auf eine Gesamtpunktzahl von 72. Der Vogelsberg (80 Autominuten!) mit dunklem Himmel, geringer Extinktion, meist aber nur mäßigem Seeing bringt dagegen nur 69 Punkte.

[1] A.M. MacRobert: "Starhopping for Backyard Astronomers", Appendix D, Sky Publishing Corp.

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