DIE TOTALE MONDFINSTERNIS VOM 8./9.11.2003

In der Nacht vom 8. auf den 9. Nowember 2003 erreignete sich die zweite von Mitteleuropa aus sichtbare totale Mondfinsternis dieses Jahres. Der visuell sichtbare Durchlauf des Mondes durch den Kernschatten sollte dabei von 0:23 bis 4:05 MEZ sichtbar sein.
Leider verbarg sich der Mond aber hinter dichten Wolken, und so beschloss ich kurzerhand, gen Westen zu fahren, da mein Onkel aus heiligenborn (wenige km westlich von Herborn) von einem klaren Himmel berichtete. Also alles schnell einpacken: Meine Ausrüstung belief sich bei dieser Aktion auf die Siberia 110 (parallaktisch montierter Newton mit 4,3" Spiegeldurchmesser und f/7,1), eine Vollmechanikkamera (Pentax K 1000, bestückt mit einem 100 ASA Negativfilm) und eine batteriebetriebene Kamera (Canon EOS 500 N, mit 400 ASA Negativfilm) sowie diverser Objektive und ein Voice-Recorder.
Gegen 23:15 (dies war gleichzeitig etwa der Beginn der Halbschattenfinsternis) fuhr ich dann los, da ich plante, gegen 0 Uhr alles im Feld aufbauen zu können, um die komplette Finsternis zu dokumentieren.
Nach 20 Minuten Fahrt aber merkte ich, dass der Himmel in Herborn ganz und gar nicht klar war. Dann hätt ich auch gleich zu Hause bleiben können und beschloss, nicht in Herborn abzufahren, sondern noch weiter bis nach Haiger zu fahren. In Haiger angekommen zeigte sich aber ein ähnliches Bild wie in Herborn und in Werdorf. Wolken "all you can eat...".
Also schnell zum Ortsausgang fahren und nachsehen, ob sich am Horizont etwas tut. Und tatsächlich: Weit im Westen zeichnete sich das Ende der Wolkenfront gegen den dunkelblauen Himmel ab. Mit anderen Worten: Auf die Tube drücken, Junge!
Ich bin dann durch den halben Westerwald gedüst, immer orientierend an der Wolkenkante (hab bald mehr an den Himmel geschaut als auf die Straße).
Nach einem Zwischenstopp gegen 0:25 (kurz nach Beginn der Kernschattenfinsternis) kam ich dann in einem Feld in Steinen (ca. 10km nördlich von Selters/Ww) an, nicht ohne mit dem Passat in Ermangelung eines Feldweges über dieses drüberzubügeln.

Im folgenden schreibe ich im wesentlichen das auf, was ich auf den Voice-Recorder gesprochen habe. Diese Methode ist m.E. sehr gut geeignet, um die Faszination des Erlebten zu dokumentieren. Weiterhin habe ich dort auch die Daten meiner Aufnahmen (insgsamt 72 Stück) festgehalten. Diese werden an dieser Stelle sinnigerweise nicht veröffentlicht.
Da ich ganz gern in halben Sätzen und stichpunktartig aufnehme, habe ich die Sätze sinnentnehmend vervollständigt bzw. ergänzt. Ds weiteren habe ich noch den Textfluss durch entsprechende Änderungen verbessert (drei mal hintereinander "man sieht" trägt nicht gerade zum interessierten Lesen bei).

"Gegen 0.40 bin ich in einem Feld nördlich von Selters angekommen, der Mond ist zum Teil schon verfinstert, die Wolkenfront habe ich hinter mir gelassen. In wenigen Sekunden wird der Mond komplett frei sein und ich kann mit der Fotografie anfangen.

0:50: Es ist ein so fantastischer Anblick im 25mm Okular, dass es einem fast die Sprache verschlägt:
Man sieht den kompletten Mond im Fernrohr, aber am Rand ist ein Teil rausgeknabbert und erscheint dort um einiges dunkler. Ich erkenne eindeutig, dass der Rand des Kernschattens nicht etwa scharf abgegrenzt ist, sondern mit einer Übergangszone diffus ausläuft. Die ganzen Mere und Strahlenkrater sehen wirklich fantastisch aus. Besonders beim Anblick mit dem bloßem Auge ergibt sich ein spektakulärer Anblick.
Der restliche noch unverfinsterte Mond blendet derweil noch so stark, dass der bedeckte Teil direkt kaum wahrnehmbar ist. Man muss schon ganz genau hinsehen, um die bedeckte Fläche gegen den Himmelshintergrund ausmachen zu können - grandios. Sehr schön sieht man im Übrigen auch noch den Planeten Saturn, der in den Zwillingen steht, den Orion, den Sirius im Großen Hund. Schade nur, dass es bei eigentlich ertragbaren Temperaturen recht windig ist, das stört ein wenig. Der Anblick der Finsternis im Okular ist eigentlich weniger spektakulär - es ist vielmehr ein phantastischer Anblick mit bloßem Auge - ein tolles Naturerlebnis.

1:10: Der Mond ist zu einem guten Drittel verfinstert - ein schöner Anblick. Insbesondere sieht man in der Nähe die Plejaden und die Hyaden. Mittlerweile sind auch schon viele weitere Sterne hinzugekommen, vermutlich da zum einen die Beleuchtungsstärke des Mondes um einiges abgenommen hat, zum anderen sicherlich auch durch die gewonnene Dunkeladaption.

1:15: Der Blick im Okular ist jetzt unbeschreiblich. Nachdem die Bedeckung knapp die Hälfte der Mondfläche eingenommen hat, sieht man nun am Rand eine kupferrötliche Färbung. Zuvor war der Schatten auf dem Mond grau.
Auf der rechten Seite ist die kupferrote Färbung etwas stärker ausgeprägt und der Krater Plato scheint als dunkler Fleck heraus - ein phantastischer Anblick, richtig schön.
Interessant ist in diesem Falle auch, dass der große Strahlenkrater Copernicus mit seinen Strahlen noch bis in die Finsterniszone hineinreicht, wenngleich die Strahlen nicht mehr weiß erscheinen, sondern in einem hellen braun.

1:20: Im Okular sieht man, dass in der Richtung, von der der Kernschatten kommt drei schwächere Sterne noch im gleichen Blickfeld stehen, die zusammen in etwa ein gleichseitiges Dreieck bilden. Die kupferrote Färbung ist nun etwas intensiver geworden und breitet sich nun nicht nur über den Kernbereich aus, sondern geht schon etwas tiefer zum Zentrum der Mondscheibe hinein.
Jetzt wo der Mond nicht mehr so blendet sieht man den phantastisch ausehenden Wintersternhimmel, das Wintersechseck kommt hier richtig schön zur Geltung. Auch die Milchstraße zeichnet sich vom untergehenden Schwan über den Zenit bis fast in die Zwillinge ab. Allerdings ist heute Nacht eine starke Luftunruhe, was sich am heftigen Flackern der Sterne erkennen lässt.

1:25: Mond ist etwa zu 2/3 verfinstert. Die Abnahme der Beleuchtungsstärke nimmt quasi augenblicklich zu

1:30: die rötlich-braune Färbung kommt nun auch visuell voll zum Vorschein

1:35: der Kernschatten beginnt nun sich Copernicus einzuverleiben Die Grenzgröße ist mittlerweile so angestiegen, dass man denken könnte, der Mond würde überhaupt nicht scheinen. Die Grenzgröße beträgt sicherlich an die 4m5 bis 5m.
Bei 96 facher Vergrößerung sieht man im übrigen auch sehr schön, dass an dem noch unbedeckten Mondrand ein Berg sehr stark über das Mondrandprofil hinausragt.
Phantastisches Erlebnis - das ist das Erlebnis Astronomie. Es muss nicht immer die Beobachtung schwacher Galaxien sein. Auch benötigt man nicht immer ein großes Teleskop. Das bloße Auge ist in diesem Falle schon ausreichend genug um in den Genuss eines spektakulären Naturschauspiels zu kommen.

1:45: die ganze Umgebung ist in ein fahles, gespenstisch anmutendes Licht getaucht. Es scheint nur noch der äußere Rand des Mondes, in ca.20 Minuten wird der Mond komplett verfinstert sein.
Auf dem Mond taucht sich nun fast die komplette verfinsterte Fläche in ein rötliches Licht.
Auch mit dem bloßen Auge ist diese starke Rotfärbung sehr schön zu erkennen.

1:52: Nur noch ein ganz kleines Stückchen ist nicht bedeckt. Von den drei Sternen könnte während der Mondfinsternis evtl. der nördlichste bedeckt werden.
Mittlerweile sieht man im Osten auch schon den Löwen, der fast komplett aufgegangen ist. Man merkt, dass der Frühling kommt, obwohl es noch nicht mal Winter ist.
Es lässt sich jetzt abschätzen , dass der Mond während der Totalität ziemlich hell sein wird.

2:03: Die letzten anderthalb Minuten bis zum Eintritt der totalen Verfinsterung. Im Okular erscheint nur noch der äußerste Rand nicht verfinstert. Auch auf der nördlichen Seite des Mondes kann ich jetzt einige Sterne im Okular erkennen, die zuvor noch nicht sichtbar waren, da der Mond zu stark geblendet hat.

2:10: Trotz der totalen Verfinsterung des Mondes, die nun seit etwa 4 Minuten währt, ist der Südrand doch noch recht hell. Das liegt daran, dass der Mond den Erdschatten nicht zentral, sondern sehr weit südlich durchquert. Lustig war diesbezüglich der Kommentar eines Radioreporters von SWR3 der sagte, der Mond hätte Verspätung und sollte besser bei der Bahn anfangen...
Schöne Konturen auf dem Mond, die hellen Strahlenkrater sieht man immer noch, die Mondmeere zeichnen sich schön ab und die dunkelste Struktur auf dem Mond ist der Krater Plato, der richtig dunkel heraussticht.

2:15: Ich rufe meine Mutter an. Sie berichtet mir, dass seit einer halben Stunde kein Wölkchen mehr den Himmel trübt...

2:30: Der Mond wird an der östlichen Seite wieder etwas heller, die Totalität ist nun also vorbei.

2:50: Der Mond wirft jetzt schon Schatten und blendet gehörig. Die Umgebung ist wieder in helleres Licht getaucht.

2:53: Etwa ein Sechstel ist wieder voll beleuchtet, Plato ist aus dem Kernschatten herausgewandert.

3:00: Die Grenzgröße des Himmels hat spürbar abgenommen.

3:30: Über 2/3 der Mondfläche sind aus dem Kernschatten herausgewandert. Die noch verfinsterte Fläche ist nicht mehr rötlich, sondern grau. Nur noch am westlichsten Ende ist es etwas rotbraun, wo noch das Mare Humorum sehr schön herausschaut.
Mond blendet richtig.

3:45: Die Totalität klingt nun so langsam aus. aum zu glauben, wie schnell die nunmehr drei Stunden, die ich hier im Feld hocke, vorbeigingen.

3:53: Nur noch ein kleines Stückchen des Mondes ist verfinstert, die visuelle Grenzgröße beträgt noch an die 3m. Umgebungskonturen wie Wälder und Wiesen sind einwandfrei zu erkennen.

4:10: Nachdem die Finsternis vor wenigen Minuten ausgeklungen ist, mache ich mich auf den Heimweg.

5:05: Komme gut gelaunt nach 65km Fahrt zu Hause an.

Das war das beste astronomische Erlebnis seit langem!"

Die totale Mondfinsternis am 9.11.2003 gegen 0:50 MEZ mit 500mm f/8 auf Kodak Farbwelt Allround 400
Die totale Mondfinsternis am 9.11.2003 gegen 1:20 MEZ mit 1000mm f/16 auf Fuji Superia Reala 400 und 1s Belichtungszeit
Totalität um 2:25 MEZ am 9.11.2003 mit 1000mm f/16 auf Fuji Superia Reala 400 und 20s Belichtungszeit
Kurz vor Ende der Totalität um 2:30 MEZ mit 1000mm f/16 auf Fuji Superia Reala 400 und 10s Belichtungszeit
Nach der Totalität um 3:20 MEZ mit 1000mm f/16 auf Fuji Superia Reala 400 und 1/2s Belichtungszeit
Nach der Totalität um 3:35 MEZ mit 1000mm f/16 auf Fuji Superia Reala 400 und 1/4s Belichtungszeit
Die letzten 15 Minuten vor dem Ende der Kernschattenfinsternis um 3:53 MEZ mit 1000mm f/16 auf Fuji Superia Reala 400 und 1/8s Belichtungszeit
4:02 MEZ mit 1000mm f/16 auf Fuji Superia Reala 400 und 1/15s Belichtungszeit
4:08 MEZ, nur noch der Übergang von Kernschatten zu Halbschatten ist auszumachen. 1000mm f/16 auf Fuji Superia Reala 400 und 1/2s Belichtungszeit