EINE UMFRAGE ZUR ASTRONOMISCHEN BILDUNG UNTER JUNGEN MENSCHEN

Der Fragebogen

Im Zeitraum von Oktober 2002 bis Januar 2003 wurde an drei voneinander unabhängigen Schulen eine Umfrage mit astronomischem Inhalt durchgeführt. Auf dieser Seite möchte ich ein wenig über die Geschichte dieser Umfrage und auch über die Ergebnisse berichten.

DER AUSLÖSER

Seit über 10 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Astronomie. Schon sehr früh habe ich aber feststellen müssen, dass das Interesse meiner Mitmenschen an dieser Wissenschaft nicht besonders hoch ist. An sich ist das nicht schlimm. Was aber fehlte, waren Gesprächspartner, mit denen ich diese Leidenschaft teilen konnte. Aufgrund meines anscheinend außergewöhnlichen Hobbys war ich weitgehend auf mich selbst gestellt. Besuche von Sternwarten oder Vereinen schieden mangels Mobilität aus. Was mir blieb, waren Bücher und die Tageszeitung, aus der ich alle Artikel mit astronomischem Inhalt ausschnitt. So auch den folgenden, der am 13.7.1997 in der "Wetzlarer Neue Zeitung" erschien:

"Ufo-Fieber hielt Menschen in Atem
Ein unbekanntes Flugobjekt (UFO) hat in den vergangenen Nächten die Bewohner der Westpfalz in Atem gehalten. Mehrere Personen, darunter auch drei Polizisten, hatten das schillernde Objekt beobachtet. Das "UFO" entpuppte sich jedoch schließlich als der Stern Capella."

[siehe auch Sterne und Weltraum 1/2001, S. 7]

Schmunzelnd klebte ich diesen Lückenfüller in mein Album, ohne ihm weiter Achtung zu schenken.
Drei Jahre später spazierte ich durch die Innenstadt. Dort schaute eine Frau verdutzt gen Himmel und ließ folgende Bemerkung los:
"Mann, ist der Mond heute hell..."
Anscheinend wusste die Dame nicht, dass sie gerade das Licht der Sonne erblickte.

Heute bezeichne ich dies als "Schlüsselerlebnis", da ich aufgrund dieses Ereignisses den Plan fasste, eine Umfrage mit dem Thema Astronomie durchzuführen, um herauszufinden, ob es wirklich so schlecht um das astronomisches Allgemeinwissen bestellt ist.

Im Jahr 2002 begann ich mit der Fachoberschule an der Werner-von-Siemens Schule in Wetzlar. Im dortigen Deutschunterricht sollte jeder Schüler ein Referat über ein frei wählbares Thema abhalten. Für welches Thema ich mich entschied, liegt auf der Hand: Plötzlich kam mir wieder die alte Umfrage ins Gedächtnis und so versuchte ich, meine Klassenkameraden mit dem Referat "Über die astronomische Bildung in Deutschland" etwas Begeisterung für die älteste Wissenschaft zu vermitteln, was aus meiner Sicht der Dinge auch gelungen ist.
Später fragte ich meinen Direktor, ob die Durchführung einer Umfrage an der Schule möglich sei. Ich bekam sehr schnell grünes Licht für die Aktion. Die Bögen wurden in einigen Klassen im Unterricht ausgefüllt. Dies war für mich besonders wichtig, da ansonsten ein Großteil der Befragten vermutlich ins Lexikon geschaut hätte, was eine enorme Verfälschung des Umfrageergebnisses nach sich gezogen hätte.

Durch Vereinskollegen wurde der Fragebogen an zwei weiteren Schulen ausgeteilt. Ursprünglich war das nicht geplant, allerdings konnten so die Ergebnisse untereinander verglichen und ein representatives Gesamtresultat gezogen werden. Der Fragebogen

Insgesamt waren auf dem Fragebogen 15 Fragen zu beantworten. Es gab 17 Punkte zu erzielen (bei zwei Fragen gab es jeweils einen Zusatzpunkt). Die Bewertung der einzelnen Fragen mit der gleichen Punktzahl "verschönt" die gesamte Auswertung ein wenig, da schwierigere Fragen (das waren insbesondere diejenigen, bei denen frei geschrieben werden musste) genauso viel bzw. genauso wenig zählten.
Die Auswahl der Fragen wurde willkürlich gewählt. Ich habe mich bemüht, möglichst elementare Fragen einzubauen. Dank zahlreicher Hilfen im Diskussionsforum bei Astronomie.de nahm der Fragebogen seine entgültige Form an.

DIE SCHULEN

Bei den Schulen handelt es sich, wie schon gesagt, um die Werner-von-Siemens Schule in Wetzlar (WvSS), das Wolfgang-Ernst-Gymnasium in Büdingen (WEG) und die Herderschule in Gießen (HS).
Bei ersterer handelt es sich um eine berufs- und weiterbildende Schule gewerblich-technischer Fachrichtung, die derzeit von über 2000 Schülerinnen und Schülern besucht wird.
Bei der zweiten Schule handelt es sich um ein allgemeinbildendes Gymnasium. Dieses wird derzeit von etwa 1500 Schülerinnen und Schülern besucht.
Die dritte Schule ist die Herderschule in Gießen. Diese Schule besuchen zur Zeit etwa 1600 Schülerinnen und Schüler.
Hauptsächlich wurden SchülerInnen der Alterstufen von 14 bis 18 Jahren befragt.

DIE AUSWERTUNG

Insgesamt kamen von der WvSS 246, vom WEG 75 und von der HS 89 ausgefüllte Bögen zurück. Der Rücklauf entsprach etwa 60% (es handelte sich um eine freiwillige Aktion). Somit wollten also 410 Fragebögen ausgewertet werden (puhhh...).
Einen großen Teil der PC-unterstützen Auswertung führte Klaus Spruck mit dem Programm Star Office durch, da ich mit Strichliste überfordert war. Hierbei konnten insbesondere die mir wichtig erscheinenden Gesichtspunkte Alter, Geschlecht und Bildung herausgefiltert werden.
Die daraus resultierenden Ergebnisse sind sehr interessant und aufschlussreich. Aus Platzgründen kann ich hier leider nur die einen Teil der Ergebnisse präsentieren. (Wer sich für die 42-seitige Auswertung der Werner-von-Siemens Schule interessiert, möge sich bei mir melden.)

Die Frage nach der Anzahl der klassischen Planeten beantworteten in der WvSS 59% (WEG 83%, HS 71%) richtig, allerdings konnten nur 29% (56%, 37%) auch alle Planeten aufzählen.

Dass Jupiter den größten Durchmesser der Planeten aufweist, wussten 46% (47%, 64%) der Befragten.

Das schlechteste Ergebnis der gesamten Umfrage lieferte die Frage nach den beiden häufigsten Elementen im Universum. Nur 9% der Teilnehmer bei der WvSS (13%, 15%) konnten beide Elemente nennen. Demgegenüber wurde die Aufgabe von jeweils etwa 3/4 aller Kandidaten übergangen.

Dass die Entfernung der Erde zur Sonne keine Relevanz für unseren Sommer hat, wussten 34% der Befragten in der WvSS (WEG 47%, HS 49%).

Gemischt ausgefallen ist die fünfte Frage. 89% (80%, 78%) aller Teilnehmer glauben zwar, dass die Erde vom Mond aus gesehen eine andere Größe aufweist als der Mond von der Erde aus gesehen, aber nur 58% (41%, 65%) der richtigen Kreuzchen enthielten auch die zutreffende Begründung. Dass die Frage oftmals nicht richtig verstanden wurde, zeigen die zahlreichen Aussagen "Unterschiedliche Entfernung". Weitere Aussagen wie "Bin fest davon überzeugt", "Der Kerl auf'm Mond hat's gefilmt" und "Hab ich auf Bildern gesehen" regten dagegen zum Schmunzeln an.

Den Sinn und Zweck des Schaltjahres kannten nur 40% der Befragten (25%, 25%). Jeweils etwa die Hälfte übersprangen die Aufgabe. Aufschlussreich waren hier die beiden Aussagen "Zum Ausgleichen des Monatszyklus" und "Die Sonne braucht nicht genau ein Jahr zur Erdumrundung"...

Schlecht sind die Ergebnisse bei der Frage nach dem Alter des Universums: Nur auf 17% (24%, 16%) der Fragebögen wurde das Kreuz an der richtigen Stelle gemacht. Da es 6 Antwortmöglichkeiten gab, liegt die Wahrscheinlichkeit bei etwa 17% richtigen Antworten. Auffallend ist aber die Tendenz zu den großen Werten. Immerhin 46% der Befragten an der WvSS (WEG 61%, HS 55%) wählten einen der drei größten Werte.

Ziemlich ausgeglichen sind die Resultate der Frage nach dem wesentlichen Unterschied zwischen einem Stern und einem Planeten. 35% der Antworten (32%, 40%) waren zutreffend.

Dass die dargestellte Skizze eine Mondfinsternis zeigt, wussten ganze 78% (75%, 90%), ein gutes Ergebnis.

Eher mager war die elfte Frage. Nur 32% (27%, 43%) entschieden sich richtig. Da wohl jeder schon mal etwas vom "Mann im Mond" gehört haben dürfte, gehe ich davon aus, dass viele die Frage mit den Mondphasen verwechselt haben.

Wie riesige Sternansammlungen mit 100 Mia. Sternen und mehr genannt werden, wussten jeweils etwa 2/3 der Befragten.

Sehr gut ausgefallen ist die Frage nach dem Lichtjahr. 85% (81%, 89%) der Befragten kreuzten hier das richtige Kästchen an.

Dagegen nahezu katastrophal ist der Größenvergleich Erde - Sonne. Nur 23% (25%, 19%) wählten den richtigen Wert. Wie schon bei Frage 8, so ist auch hier eine eindeutige Tendenz zum Großen sichtbar: Jeweils etwa 3/4 aller Teilnehmer wählten einen der drei höchsten Werte.

Erfreulicherweise konnten aber 85% der Schüler an der WvSS (WEG 83%, HS 76%) das abgebildete Sternbild richtig benennen.

GESAMTERGEBNIS

Wie man sieht, stimmen die Tendenzen bei den Fragen. Vergleicht man die Gesamtergebnisse der einzelnen Schulen, so zeigt sich eine Übereinstimmung, die schöner nicht sein könnte: Der Gesamtdurchschnitt bei der Werner-von-Siemens Schule beträgt 49%, beim Wolfgang-Ernst Gymnasium 50% und bei der Herderschule 52%.

Ausserdem hat sich gezeigt, dass die gegebenen Antworten nicht abhängig vom Alter sind. Allerdings lässt sich bei der WvSS sehr schön zeigen, dass die Ergebnisse mit zunehmenden Wissensstand besser werden. Während Hauptschüler nur durchschnittlich 43% der erreichbaren Punktzahl erzielten, erlangten Realschüler 51% und Abiturienten 53%.

Eine Besonderheit ist in bezug auf die Geschlechter aufgetreten: Während an der WvSS (Frauenquote ~ 6% aufgrund der Fachrichtung) keine gravierenden Unterschiede zwischen weiblichen Ø 51%) und männlichen (Ø 49%) Teilnehmern aufgetreten sind, beträgt das durchschnittliche Ergebnis von Frauen am WEG 56%, bei Männern ebenfalls aber nur 49%. Die Frauenquote beträgt hier 52%. Genau anders herum verhält es sich bei der HS. Frauen erzielten hier durchschnittlich 46%, Männer dagegen 56% (Frauenquote hier 39%).

FAZIT

Die Umfrage hat gezeigt, dass die Astronomie in allen Schulsystemen nicht besonders gefördert wird. Obwohl Naturwissenschaften wie Physik, Biologie und Chemie in jeder allgemeinbildenden Schule zum Rahmenplan gehören, ist das interessante Fach Astronomie (auch als Teilbereich der Physik) - leider - weit unterrepräsentiert.

DANKSAGUNG

Folgenden Personen, die mich maßgeblich unterstützt haben, gilt mein ausgesprochener Dank:
Direktor Agel, Horst Koch, Bärbel Menke-Koch, Klaus Spruck, stellv. Direktor Staffa sowie den Lehrern, Schülerinnen und Schülern der drei Schulen, die für diese Umfrage Unterrichtszeit geopfert haben.